WM 2010
Afrikanische Fußballträume
Nach der WM ist vor der WM. In vier Jahren findet das Weltturnier zum ersten Mal in Afrika statt. Die Jugendlichen von Maawal in Tansania träumen davon, in Südafrika dabei zu sein und eine Fußballkarriere in Europa zu starten. Von Camilla von Buddenbrock


Tansania Spielszene
"Die Jungs sind gut": Das Team in Maawal träumt
von der WM 2010 Foto Camilla von Buddenbrock

Wildes Hupen und Gejohle tönt seit dem frühen Mittag durch Tanga im Norden von Tansania. Eine Autokolonne fährt die Straßen auf und ab, alle Viertelstunde kommt der ausgelassene Zug am Fußballfeld vorbei. Die Spieler von Maawal, die dort das Auftaktspiel der dritten Jugendliga bestreiten, sehen beim Warmmachen kaum hinüber, während sie mit Füßen rhythmisch auf den Boden treten. Das Warmlaufen im kniehohen Gras dauert eine halbe Stunde, dann geht es los. Als Trainer Thabit Abuu seine Elf benennt, sind 50 Jungs dabei, die das Team mit Fahrrädern und alten Vespas umkreisen. Es gibt Probleme: Der Torwart ist krank geworden, es muss sich jemand anderes ins Tor stellen. Einer der Verteidiger meldet sich freiwillig und streift ein weißes Hemd übers rote Trikot eines dänischen Bierherstellers, das bislang nur geliehen und nicht gesponsert ist. Die Fans ziehen hinter das Tor des Gegners, der heute Old Tanga heißt und Maawal überlegen ist. Der verbissene Blick von Kapitän Idrlssa nach dem Schlusspfiff sagt alles. Die Enttäuschung über die 1:3-Niederlage ist groß, die Spieler wirken geknickt.

Was hat gefehlt? Waren es die weiblichen Zuschauer, die dem ausgelassenen Hochzeitszug durch Tanga gefolgt sind, anstatt die 16 bis 18-Jährigen anzufeuern? Um dem auf die Spur zu kommen, vereinbaren wir ein Interview, bei dem Trainer Abuu seine Spieler verteidigt. „Die Jungs sind gut, besonders der hier und er auch.“ Dabei zeigte der Trainer auf Idrlssa und Mbarak, die sich durch Aggressivität und Spielübersicht hervorgetan haben. Er sieht Großes in seiner Mannschaft. Doch: „Wir brauchen einen argentinischen oder deutschen Coach hier in Tansania. Wir spielen guten Fußball, doch uns fehlt es an Erfahrung und Taktik.“

Spieler Tansania
„Wir spielen guten Fußball“: Die Spieler von
Maawal beim Interview Foto Camilla von Buddenbrock

Der tansanische Fußball verändert sich rasant. Der neue Staatspräsident Jakaya Kikwete hat sich zum Ziel gesetzt, Tansania zur WM 2010 nach Südafrika zu bringen. Er fordert, für den Fußball „einen Entwicklungsplan zu erarbeiten“. Kikwete verzichtet auf großes Staatsbrimborium, wann immer er kann und gibt sich volksnah. In Tansania glaubt man, dass er es ernst meint. Die Spieler von Maawal wirken jedenfalls hoch motiviert. „Gleich nach der Schule trainieren wir drei Stunden. Und am Abend machen wir Hausaufgaben“, erzählen sie. „Wir alle spielen in zwei Teams. In der Schulmannschaft und auf der Straße.“ Sie kennen Lothar Matthäus, sehen Spiele der Champions League mit Michael Ballack im Fernsehen und wollen Fußballprofis in Europa werden – bis auf Kathibu Jiwa, der fast philosophisch wirkt. Aufgeregt zupft er am Arm der Interviewerin und will es ganz genau wissen: „Wie sieht denn die Realität aus? Sind schwarze Spieler tatsächlich in Europa erwünscht?“

Dass Adebowale Ogungbure von Sachsen Leipzig die rassistischen Beleidigungen im Stadion nicht mehr ertragen konnte und die Zuschauer im Stadion von Halle mit dem Hitlergruß provozierte, haben alle Spieler mitbekommen. Der Fall Ogungbure aus der deutschen vierten Liga war ein Thema in vielen afrikanischen Medien – auch in Tansania. Dass sich seine Mitspieler aus Leipzig mit schwarz angemalten Gesichtern mit dem Nigerianer solidarisierten ist allerdings nicht bekannt: „Was ist los bei euch in Deutschland?“, fragt Kathibu. Und es fällt schwer, ihm darauf eine einfache Antwort zu geben.

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