INTERVIEW
„Runjaic ist ein Taktikfuchs“
Eine Saison wie eine Achterbahnfahrt: Der MSV Duisburg startete katastrophal, dann stabilisierte sich das Team nach dem Trainerwechsel von Oliver Reck zu Kosta Runjaic. Sören Brandy, zu Saisonbeginn von Paderborn gekommen, wurde Stammspieler und Publikumsliebling. Ein RUND-Interview von Henning Klefisch

 

Sören Brandy gegen Markus Thorandt
Chancenlos am Millerntor: Der Duisburger Sören Brandy kommt gegen Markus Thorandt, FC St. Pauli, zu spät. Der MSV verlor mit 1:4. Foto Pixathlon

 

Große Tradition, problematische Gegenwart: Der MSV Duisburg hat schon bessere Zeiten gesehen. Derzeit muss man sich mit Platz 11 in der Zweiten Liga zufrieden geben. Als die „Zebras“ noch unter dem Namen Meidericher SV firmierten, gehörte der Verein von der Wedau zu den Bundesliga-Gründungsmitgliedern und war jahrzehntelang ein fester Bestandteil der deutschen Eliteklasse. Erst seit den 80er-Jahren haben sich die Westdeutschen zu einer Fahrstuhlmannschaft entwickelt, diese Spielzeit war eine weitere Achterbahnfahrt. Nach schlechtem Saisonstart, wo man sogar bis auf den letzten Tabellenplatz abgerutscht ist, hat man eine erstaunlich positive Entwicklung nehmen können, wie auch MSV-Kicker Sören Brandy im Gespräch bestätigt: „Wir können die bisherige Saison in zwei Hälften gliedern. Wir haben einen katastrophalen Saisonstart gehabt, den wir uns sicherlich alle anders vorgestellt haben. Vor der Winterpause haben wir dann drei wichtige Siege eingefahren, so dass wir dann mit einem besseren Gefühl in die Rückrunde gehen konnten. In der Rückrundentabelle sind wir auf dem dritten Tabellenplatz. Derzeit haben wir ein ganz anderes Gefühl und eine ganz andere Freude Fußball zu spielen, als dies zu Saisonbeginn noch der Fall gewesen ist. Das letzte Spiel vor der Winterpause gegen Jahn Regensburg war eminent wichtig. Mit einem Dreier in die Winterpause zu gehen, war sehr wichtig, sodass wir mit einem kleinen Vorsprung auf die Rückrunde in die Winterpause gehen konnten.

Sören, die Duisburger Elf wirkt deutlich gefestigter und auch spielstärker. Zudem konntet ihr euch bereits vorzeitig den Klassenerhalt sichern. Was waren die Gründe dafür?
Sören Brandy: Sicherlich hat der Trainer auch einen gewaltigen Anteil daran. Es kommen viele Faktoren zusammen. Einige Spieler sind erst zum Ende der Vorbereitung zu uns gestoßen. Als Beispiel Ranisav Jovanovic oder Antonio da Silva. Wenn man sieht, was der Jovanovic derzeit spielt, muss ich sagen, dass er ein ganz hohes Niveau zeigt. Wenn er die komplette Vorbereitung im Sommer bei uns mitgemacht hätte, wäre der Saisonstart vielleicht auch anders gelaufen. Natürlich spielt auch der psychologische Aspekt eine große Rolle, wenn du die ersten beiden Spiele gegen zwei Aufsteiger verlierst, dann stehst du gehörig unter Druck. Wir mussten uns erstmal gegen den Abstieg stemmen. Dies ist uns jedoch eine ganze Zeit gut gelungen.

Der Erfolg scheint parallel zur Verpflichtung von Kosta Runjaic zu Beginn der Spielzeit gekommen zu sein. Wie würdest du ihn charakterisieren?
Sören Brandy: Er ist in der Mannschaft überaus beliebt, er kommt bei uns sehr gut an. Er kommuniziert viel auch in Einzelgesprächen. Taktisch ist er ein sehr guter Mann. Zu Recht wird er häufig als Taktikfuchs deklariert. Seit er gekommen ist, haben wir uns stabilisiert. Er hat anfangs großen Wert auf die Defensive gelegt. Wir stehen nun deutlich kompakter als zu Beginn der Spielzeit. Im Angriff zeigen wir uns auch treffsicherer. Mit dieser guten Taktik fahren wir dann die Siege ein.

Habt Ihr als Mannschaft Mitleid oder ein schlechtes Gewissen gegenüber entlassenen Trainern wie zuletzt Oliver Reck oder wird dies als Normalität bei Erfolglosigkeit angesehen?
Sören Brandy: Ja, er hat mir schon leid getan, gerade weil er auch in der Mannschaft sehr beliebt ist und ein super Typ ist, aber so ist halt das Tagesgeschäft, wenn der Trainer keinen Erfolg hat dann muss er gehen. So ist das nun mal, das haben andere Leute zu entscheiden, ob der Trainer bleiben soll oder geht, und wir Profis versuchen dann einfach nur weiter unseren Job zu machen.

Du wurdest in deiner ersten Saison bei den Zebras auf Anhieb Stammspieler und Publikumsliebling. Die Umstellung von Paderborn nach Duisburg fiel dir offensichtlich nicht allzu schwer. Bist du mit deiner persönlichen Bilanz zufrieden?
Sören Brandy: Dieser Wohlfühlfaktor kommt immer dann mit dem sportlichen Erfolg. Wir hatten ziemlich schwierige Anfangsmonate hier, weil wir solch einen katastrophalen Saisonstart hatten. Ich komme aus der Region Ostwstfalen-Lippe (OWL) und habe auch mehrere Jahre beim SC Paderborn gespielt, da ist was Gutes entstanden in der Zeit, und natürlich war der Schritt erstmal schwer, da wieder wegzugehen. Ich kenne das Ruhrgebiet zwar durch meine Zeit in Essen, wo ich ein Jahr gespielt habe. Die haben hier eine ganz andere Mentalität als in OWL, aber mit dem sportlichen Erfolg, mit der Truppe, die wir haben, fühlt man sich auf Dauer dann auch wohler.

In Paderborn warst du absoluter Leistungsträger und zugleich Identifikationsfigur für die Fans. Zudem bist du mit den Paderstädtern nach einer ausgezeichneten Saison fast in die Bundesliga aufgestiegen. Einige haben den Wechsel anfangs nicht richtig verstehen können. Warum hast du den SCP verlassen?
Sören Brandy: Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht, auch lange darüber nachgedacht, gerade weil da in Paderborn etwas Gutes entstanden ist, natürlich spricht man dann auch mit den Mitspielern und holt sich Ratschläge.
Das einige Spieler einen leistungsfähigen Verein verlassen ist normal und ich bin ja nun auch keine Anfang 20 mehr und habe dann nach den 4 schönen Jahren in Paderborn einfach mal einen neuen Schritt gewagt. Es kam die Anfrage von Duisburg, von einem Traditionsverein und ja ich denke jetzt im Nachhinein war es die richtige Entscheidung nach Duisburg zu gehen. Ich habe mich persönlich weiterentwickelt und auch sportlich weiterentwickelt, bis jetzt bereue ich den Wechsel nicht.
 
Aktuell kommen wieder Hiobsbotschaften in Zusammenhang mit dem MSV Duisburg, dass die Insolvenz angeblich wieder bevor zu stehen scheint. Schon im Dezember gab es enorme Finanzprobleme. Wie sehr hat euch das als Mannschaft beeinflusst?
Sören Brandy: Ich muss sagen das Trainerteam und der Manager haben versucht, das Thema so weit wie möglich von der Mannschaft fern zu halten, ich denke, das ist ihnen auch ganz gut gelungen, natürlich macht man sich als Spieler auch Gedanken, wie geht es weiter falls es wirklich zum „worst case“ kommt und Duisburg das ganze nicht mehr stemmen kann, dann hört man sich ein bisschen um, was kann man machen. Aber uns wurde immer auch relativ schnell signalisiert, dass es in Duisburg weitergeht, deswegen hat die Mannschaft eigentlich nichts damit zu tun.
 
Woran merkt man, dass der MSV Duisburg eine lange Tradition hat?
Sören Brandy: Erst mal merkst du das hier an der ganzen Region, wenn du durch die Stadt läufst, dann hängen die Fahnen aus dem Fenster und es laufen Menschen mit MSV-Trikot durch die Stadt und die ganze Infrastruktur im Vergleich zu Paderborn, wobei Paderborn sich da auch ganz gut entwickelt, aber in Duisburg, die haben ein Riesen-Stadion, ein riesiges Gelände, das ist schon ein bisschen andere Welt als in Paderborn.


Dennoch gab es einen Einbruch bei den Zuschauerzahlen. Nur selten ist die ansehnliche über 30.000 Zuschauer fassende Schauinsland-Arena ausverkauft. Siehst du Steigerungsbedarf bei den Zuschauerzahlen?
Sören Brandy: Natürlich wäre es schöner, wenn so ein großes Stadion auch mal mehr ausgelastet ist, da ist dann aber auch die Mannschaft in der Pflicht, denn die müssen ein paar möglichst hohe Siege einfahren, dass wir somit noch ein paar schöne Heimspiele haben.

Wie bewertest du das Niveau in der 2. Liga?
Sören Brandy: Es gibt da ja so zwei, drei, vier Mannschaften, die so ein bisschen davon entlaufen sind. So zum Beispiel Köln, Lautern, Braunschweig, Hertha, die sind den anderen Mannschaften voraus, aber dahinter ist es, denke ich, ziemlich ausgeglichen.

Welche Bedeutung haben die Fans, wie stehst du zur Ultradebatte?
Sören Brandy: Die Ultras sind ja in dem Sinne die Fans, die am meisten Stimmung machen. Man muss da versuchen, möglichst auf einen Nenner zu kommen, einen Konsens zu finden, dass diese ewige Streiterei da aufhört, und ja ob Bengalos oder nicht, wenn die Polizei und die Sicherheitsleute da Bedenken haben, dann ist das eben so und dann muss man sich eben anders verhalten.
 
Zu deinem Privatleben. Du bist mit Miriam, einer Logopädin, verheiratet und du bist Vater einer kleinen Tochter geworden. Wie sehr hat dir dies Auftrieb gegeben?
Sören Brandy: Das ist natürlich der schönste Moment in meinem Leben gewesen. Das ist jetzt ein ganz anderes Leben zu Hause, natürlich denkt man mehr über gewisse Sachen nach, man passt sich dann immer den Lebensumständen an.

Du bist als Profi weitgereist, standest in Kiel, Essen, Paderborn und nun Duisburg unter Vertrag. Was verbindest du mit dem Begriff Heimat und wie wichtig sind Freunde und Familie für dich?
Sören Brandy: Also, ich fühle mich in Ostwestfalen-Lippe heimisch, ich bin ja in Verl geboren, bin in Bielefeld zur Schule gegangen und hab da mein Abitur gemacht, in Schloss Holte bin ich aufgewachsen und ja das war eine schöne Zeit in Paderborn, mal wieder in der Heimat zu spielen und ja, ich denke auch, dass wir nach der Fußballerkarriere wieder dorthin zurückkehren werden.

Was willst du dann machen?
Sören Brandy: Ich habe noch ein unterbrochenes Lehramtsstudium, aber ich weiß noch nicht, ob ich in den Bereich später gehen will.“
 


Sören Brandy gegen Benny Lauth
Die Zweite Liga ist kein Ponyhof: Sören Brandy (MSV Duisburg) grätscht, Benny Lauth (1860 München) verliert die Balance. Foto Pixathlon

 

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