ANTI-GEWALTTRAINING
„Hab' ich gemacht, war nicht gut“
Die Aggressionen bei den Spielen im Amateur- und Jugendbereich nehmen zu: Bei Anti-Gewalt-Trainer Matthias Blach üben Fußballer, nicht wieder auszurasten. Von Roger Repplinger.

 

 

Foul im Amateurfußball
Alltägliches Foul auf einem Grandplatz: Aus solchen harmlosen Szenen entstehen verbale Provokationen bis hin zu Spielabbrüchen, wenn sich Spieler und Zuschauer nicht im Griff haben. Foto Henning Angerer/Pixathlon

 

Als wir ins „Haus der Jugend“, das versteckt hinter der „Geschwister-Scholl“-Stadtteilschule liegt, latschen, kommt ein Jugendlicher durch die Glastür. Macht ein ziemlich böses Gesicht. Schwarze Haare, bleich, schmächtiges Bürschchen, und ein böses Gesicht. Hausleiterin Barbara Trappmann hat ihn weg geschickt. „Impertinenz und Lügen“, sagt sie, „das geht nicht.“ Die anderen Jugendlichen chillen auf der Sitzgruppe, sitzen an der Bar, spielen Poolbillard, auf einem Bildschirm flackert ein Kaminfeuer.

Das Viertel heißt „Osdorfer Born“, es gibt Hamburger, die bei Nennung dieses Namens die Stirn in Falten legen und Angst um die Handtasche bekommen.

Matthias Blach, Diplom-Sozialpädagoge, 31, geht mit uns nach oben. In einen kleinen Raum, in dem Zettel über der Tafel hängen, auf denen unter anderem „Ägypten“, „Polen“, „Russland“ und „Nigeria“ steht. Einer hat mit schwarzem Filzstift einen Pimmel auf die Holzbank gemalt.

Blach ist gerade dabei, Kids für sein Projekt „Schlagfrei“ zu begeistern. Immer Dienstags von 16.30 Uhr bis 18 Uhr. Ein Teil des Projekts ist Sport: Daniel Gehrke, wie Blach ausgebildeter Anti-Gewalttrainer, kickt mit den Kids, Blach geht klettern. „Fußball ist gut“, sagt er, „da geht's um gewinnen und verlieren, da müssen die Kids mit Frustration umgehen, wir provozieren sie auch mal mit falschen Schiedsrichterentscheidungen, um zu sehen, wie sie reagieren.“ Unter Leistungsdruck, hat Blach beobachtet, „fällt die Fassade“. Hinterher versuchen Blach und Gehrke den Kids, die alle aus der Siedlung Osdorfer Born und Lurup kommen, klar zu machen, dass es wenig Sinn, sich nach einer Fehlentscheidung so aufzuregen, dass man Fassung und Spiel verliert.

Blach und Gehrke arbeiten auch für den Hamburger Fußballverband (HFV) und dessen Aktionen „Coolness Tage“ und „Fit für Fairplay“. Letzteres läuft seit 2012. Was gemacht wird, hängt von den Bedürfnissen der teilnehmenden Mannschaften ab. „Da sind Teams, da gibt’s mal 'ne Gelbe oder Rote Karte, die wollen leistungsfähiger werden, sich nicht ablenken lassen, da geht es um konstruktives Konfliktmanagement“, sagt Blach. Die Anti-Gewalttrainer versuchen den Spielern Möglichkeiten aufzuzeigen, wie man runter kommt, von der Wut. Gilt auch für den Trainer, damit der nicht an der Linie ausrastet und die Spieler noch verrückter macht. „Wie kriege ich es hin, dass es wieder ums Spiel geht und nicht um Schiri oder Zuschauer, die was rein brüllen?“, sagt Blach, „wie steige ich aus der Spirale aus?“ Die sich sonst so lange dreht, bis alle durchdrehen.

Oder es geht, vor allem in der Saisonvorbereitung, um Teambuilding. Da war diese Mannschaft, die aus zwei Jugendteams gebildet werden sollte, zwölf alte und sieben neue Spieler. Da entstehen Grüppchen, da wird der Ball zu den alten Mannschaftskameraden gespielt, die anderen werden ignoriert, da ist der Gegner nicht nur die andere Mannschaft sondern der Mitspieler. Mit denen haben Blach und Gehrke von neun bis 16 Uhr Zusammenhalt trainiert.

 

Matthias BlachGemeinsam mit seinem Kollegen Daniel Gehrke hat Matthias Blach (Foto) "reaktion" gegründet, eine Firma, die Anti-Gewalt-Training anbietet. Foto: Matthias Greulich

 

Die „Coolness Tage“ des HFV sind was völlig anderes. Da schlagen Jungs auf, denen der Schiri Rote Karten zeigte und das Sportgericht dicke Strafen aufbrummte, und die durch den erfolgreichen Besuch der Veranstaltung ihre Sperren reduzieren können. Blach erinnert sich an einen jungen Mann, 19, 20 Jahre alt, talentiert, Spieler der Herren. Ging nach einem Spiel zum Platzwart, der auch das Vereinsheim betreibt. Wollte nur fragen, warum andere Mannschaften, was die Trainingszeiten anbelangt, bevorzugt werden, und warum der Rasen bei ihnen immer so stark gewässert wird. Das Problem war. der junge Mann hatte Druck: Nicht lange aus dem Jugendknast entlassen, Schulden, und bei der Auseinandersetzung mit dem Platzwart schauten seine Kumpels zu, vor denen er sich keine Blöße geben wollte. Vor allem nicht, als der Platzwart einen Spruch brachte, vom dem der Spieler später gar nicht mehr wusste, wie er hieß. Der Spieler packte den Platzwart am Kragen und verpasste ihm eine. „Vielleicht hat er ihn auch nur weg gestoßen“, sagt Blach, „das ließ sich nicht klären.“

Der Spieler bekam eine Sperre von zwei Jahren für alle Fußballplätze des Bezirks Mitte und eine Strafanzeige.

Bei den „Coolness Tagen“ ist genug Zeit, um die Hintergründe für das Verhalten der Spieler heraus zu finden. Am Ende sagte der junge Mann: „Hab ich gemacht, war nicht gut.“ So, sagt Blach, sieht der Anfang aus. Gibt natürlich keine Garantie, dass der junge Mann künftig nicht mehr gewalttätig ist, aber ohne solche Projekte wie „Coolness Tage“, „Fit für Fairplay“ und „Schlagfrei“ gibt’s es nicht mal die Chance, dass es besser wird.

Als wir den Raum mit den Blättern, auf denen unter anderem „Ägypten“, „Polen“, „Russland“ und „Nigeria“ steht, verlassen, und wieder unten sind, beim Poolbillard-Tisch und dem Bildschirm mit dem Kaminfeuer, da kommt der kleine Junge mit dem bösen Gesicht, das jetzt sehr betrübt ist. Er hat Stress in der Schule, zu Hause, er hat überall Stress. Er ist noch bleicher und hat zwei Kumpels mitgebracht, von denen der eine zu Frau Trappmann sagt: „Er will sich entschuldigen.“ So schwer ist das. Und dann gibt der Kleine Frau Trappmann die Hand, die zittert wie seine Stimme, die „Frau Trappmann, ich wollte das nicht“, sagt. Die beiden setzen sich an einen Tisch, die Kumpels ziehen sich zurück. So wichtig ist dem Kleinen das „Haus der Jugend“ am Osdorfer Born, dass er das auf sich nimmt. Muss eine miese Erfahrung sein, wenn man merkt, dass man etwas, was einem so wichtig ist, aufs Spiel setzt, weil man die Kontrolle verliert. Und man weiß nicht, wie man das ändern soll. Vielleicht weiß es Matthias Blach.

 

 

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