VOR GERICHT
Falko Götz kämpft um seinen Ruf
Holstein Kiel hat seinen Trainer Falko Götz fristlos entlassen: Er soll einen Spieler geschlagen haben. Vor dem Arbeitsgericht kämpft Götz um seinen Ruf, er vermutet, dass ihn der Klub möglichst billig loswerden wollte. Von Roger Repplinger.

Falko Götz

Wer nimmt einen Trainer, der seine Spieler schlägt? Falko Götz kämpft vor dem Arbeitsgericht Kiel um seine Existenz
Foto Maak Roberts




"Ich weiß nicht", fragt Rechtsanwalt Oliver Wendt, der Kaugummi kaut, "ob Sie wissen, wie es in Fußballerkabinen zugeht?" Die Richterin lächelt: "Eher nicht, da haben Frauen ja normalerweise keinen Zugang."

Um die Frage, wie es in Kabinen zugeht, was Trainer tun dürfen und was nicht, geht es. Am gestrigen Donnerstag um 13.45 Uhr begann vor der fünften Kammer des Arbeitsgerichts Kiel, unter Vorsitz von Richterin Sabine Göldner-Dahmke, der Prozess, den der Trainer Falko Götz, 47, gegen seine fristlose Kündigung vom September 2009 durch den TSV Holstein Kiel führt.

Holstein Kiel tritt an mit Wolfgang Schwenke, dem kaufmännischen Geschäftsführer, Roland Reime, der bei der Provinzial-Versicherung ein hohes Tier war, mal bei Preußen Münster mitmischte, mal beim THW Kiel, und nun bei Holstein Kiel präsidiert. Anwaltlich vertreten wird der Klub, der unter Götz in die Dritte Liga aufstieg, von Gabi Krämmer, der Lebensgefährtin von Gerhard Lütje, dem schwerreichen Boss des Holstein-Hauptsponsors Citti.

Krämmers Kanzlei vertritt auch den Handballclub THW Kiel in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten. Es hängt ja immer alles mit allem zusammen, in Kiel auch. Nur enger. Zum Sponsor Lütje, nicht zum
Präsidenten Reime, gingen die Holstein- Spieler Mitte September, um zu erzählen, was fünf Wochen zuvor, am 8. August, nach der Niederlage gegen Eintracht Braunschweig in der Kabine passiert ist. Mannschaftskapitän Sven Boy erklärte, dass Götz, der mit seiner forschen, fordernden und
sehr selbstbewussten Art nicht nur Freunde in der Mannschaft hatte, den offensiven Mittelfeldspieler Marco Stier, 25, angeschrieen und drei Mal geschlagen habe. Es habe geklatscht und der Kopf von Stier sei zurückgeworfen worden.

Lütje rief Reime um 7.15 Uhr am 16. September an, bei dem "eine Welt zusammenbrach". Es folgte ein Gespräch mit dem Trainer, der aus allen Wolken fiel und bestritt, Stier geschlagen zu haben. Es folgte die mündliche Beurlaubung und zwei Tage später die schriftliche fristlose
Kündigung.

Götz hatte einen Vertrag bis 2013, für Drittligaverhältnisse hoch dotiert. Reime sagt vor Gericht, "dass wir stolz und glücklich waren, einen solchen Trainer verpflichtet zu haben". Götz und sein Co-Trainer Andras Thom sollten die Mannschaft in die Zweite Liga führen. Deshalb geht es jetzt um viel Geld, aber vor allem, wie Götz' Analt sagt, "um meines Mandaten berufliche Existenz".

Denn welcher Club nimmt einen Trainer, der seine Spieler schlägt?

Nachdem vor wenigen Tagen ein Gütetermin beim DFB unter Vorsitz von Götz Eilers gescheitert war, weil das Angebot, das die Kieler ihem Ex-Trainer machten, nur einen Bruchteil der Forderungen abdeckte, machte nun auch Göldner-Dahmke einen Vorstoß in dieser Richtung. Sie hatte beiden Seiten die Schwierigkeiten eines langen Arbeitsgerichtsprozesses, möglicherweise durch mehrere Instanzen, klar gemacht. Holstein Kiel müsse "die Kammer überzeugen, dass es hier tatsächlich ein massives Schlagen, im strafrechtlichen Sinne eine Körperverletzung, gegeben habe". Die Hürde
für fristlose Kündigungen liege hoch. An Götz gewandt wies sie auf die durch einen Prozess beeinträchigten Chancen, einen neuen Job zu finden, hin.

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelten beide Seiten eine Halbzeit lang. Das ist nicht einfach, denn man kennt sich. Götz und seine Frau hatten mit Fräu Krämmer und Herrn Lütje gesellschaftlichen Verkehr. Das Porzellan, von dem sie gegessen haben, ist zerschlagen. Die
Verhandlungen blieben ohne Ergebnis. Das Holstein-Angebot in Kiel war nur unwesentlich besser als das beim DFB. So kündigte Göldner-Dahmke den esten Verhandlungstermin für Januar an.

Mit acht Spielern will Gabi Krämmer dann die Misshandlung bezeugen, den Einwand, die Spieler hätten die Angelegenheit wochenlang unter der Decke gehalten, ebenso entkräften wie die Frage, warum die Mannschaft, vor allem der Spieler Stier, in den Wochen nach den vermeintlichen Schlägen
so gut spielte.

Götz und Wendt vermuten, dass Spieler, die sich auf dem Abstellgleis wähnten, eine Gelegenheit suchten, den Trainer loszuwerden. Lütje und der andere Holstein-Hauptsponsor, Hermann Langness, Milliardär und Geschäftsführer der Famila-Einkaufsmärkte, suchten eine günstigen Lösung. Für sie ist eine fristlose Kündigung sehr günstig.


Trainerverschleiß
Peter Vollmann war Trainer bei Regionalligisten Holstein Kiel von
Februar 2007 bis Dezember 2008. Er wurde, als Tabellenführer und
Herbstmeister entlassen, und durch Falko Götz ersetzt, der im April 2007
von Hertha BSC Berlin entlassen worden war. Götz stieg mit Kiel in die
Dritte Liga auf, und flog im September 2009. Seitdem sitzt Christian
Wück, zuvor bei Rot-Weiß Ahlen, auf dem Schleudersitz. Bei Kiel
geblieben ist Götz' Co-Trainer Andreas Thom.

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