ZWEITE LIGA
Außerhalb von Fürth und New York kennt uns niemand
Eines der traditionsreichen deutschen Stadien ist vergangenes Jahr 100 Jahre alt geworden. Das hat mal wieder kaum einer mitbekommen – genauso wenig wie die Erfolge des dazugehörigen Clubs, der mit seinem Minietat mal wieder ans Tor zur Bundesliga pocht. Von Christoph Ruf

Rohnhof
100 Jahre Rohnhof: die alte Tribüne steht jetzt im Playmobil Stadion Foto Sebastian Vollmert

Sie hatten sich mächtig ins Zeug gelegt. Stundenlang hatten sie das Spielfeld und die Ränge vom Schnee befreit, ehe trotz arktischer Temperaturen angepfiffen werden konnte. Der Einsatz hatte sich gelohnt, schließlich war dieses Spiel im November ein besonderes. Im hundertsten Jubiläumsjahr des Stadions am Ronhof sollte die „Jahrhundertelf“ vorgestellt werden. Und von den laut Fanabstimmung elf wichtigsten Spieler seit der Vereinsgründung waren bis auf einen alle noch lebenden Spieler erschienen. Und obwohl auch noch die aktuelle Fürther Mannschaft gegen 1860 München gewann, gab es nach dem Schlusspfiff wieder lange Gesichter bei den Verantwortlichen.

Erneut waren nur 6.800 Zuschauer gekommen –ein erbärmlicher Besuch für ein Zweitliga-Spitzenderby. Als das Spiel vorbei war, platzte Trainer Mike Büskens die Hutschnur: „Dieses Spiel hätte mehr Zuschauer verdient gehabt“, raunzte er. Am Sonntag versagte er sich jeden Kommentar. 6.400 Zuschauer kamen da, rund 800 davon aus der Hauptstadt. Gewonnen hat mal wieder die Heimmannschaft.

Mit etwa 6.000 Zuschauern im Schnitt liegt der Traditionsverein im unteren Viertel aller Zweitligisten. Der 1. FC Nürnberg, dessen Stadion nicht einmal 15 Kilometer vom Ronhof entfernt liegt, baut auf 475 Fanclubs. Wenn das „Kleeblatt“ einen neuen begrüßt, räumt die Stadionzeitung der frohen Kunde eine ganze Seite frei. Dabei ist der derzeit dienstälteste Zweitligist, der sich Jahr für Jahr in der Spitzengruppe hält, ein echter Underdog. Der Etat liegt auch heuer im deutlich einstelligen Millionenbereich - und damit im unteren Drittel aller Zweitligisten. Über zehn Millionen Euro hat der Club seit dem Zweitligaaufstieg 1997 durch Transfers eingenommen, nur knapp über zwei ausgegeben. Jahr für Jahr verlassen den aktuellen Tabellen-Vierten seine besten Spieler: Roberto Hilbert und Nationalspieler Heiko Westermann wuchsen am Ronhof auf, vor der Saison ging Sami Allagui nach Mainz. Man definiert sich als Ausbildungsverein, das setzt eine hohe Frustrationsbereitschaft voraus.

Nimmt man den Etat als Grundlage, hätte Fürth in wohl jeder Saison seit 1997 absteigen müssen. Eine tolle Entwicklung, wenn man bedenkt, dass der Club Ende der 80er in der Landesliga versunken war – doch das tröstet die vielen auffallend alten Zuschauer im Ronhof nur bedingt.

Im Jubiläumsjahr erinnert eine große Ausstellung im Fürther Rathaus daran, dass das Kleeblatt schon drei Mal Deutscher Meister. Ein Foto aus dem Jahr 1923 zeigt die deutsche Nationalmannschaft beim Länderspiel in Mailand – gleich fünf Fürther präsentieren stolz den Bundesadler. Nachlesen kann man all das im liebevoll aufbereiteten Jubiläumsbuch, das der Archivar Jürgen Schmidt vor kurzem herausgebracht hat und das der Verein in Eigenregie vertreibt. Mit den jungen Fans von den „Horidos“ hat Schmidt, der schon als Kind mit Schal und Fahne im Ronhof stand, kürzlich eine Führung durchs Museum gemacht. Seither ist er noch überzeugter, dass Vergangenheit und Zukunft in Einklang zu bringen sind: „Die hatten ein richtiges Interesse an den Geschichten von früher.“
Wer die Ausstellung verlässt und die große Kreuzung diagonal überquert, landet vor der Eingangstür zum Jüdischen Museum. Als der spätere US-Außenminister Henry Kissinger in Fürth aufwuchs, wurde die Stadt wegen ihrer großen jüdischen Gemeinde „Jerusalem des Südens“ genannt. Im Mai war der betagte Mann erkennbar gerührt, als ihm Präsident Helmut Hack den Ronhof zeigte, der für Kissinger schon als Steppke der eigentliche Ortskern war. Kissinger informiert sich noch heute jedes Wochenende über die Ergebnisse seines Vereins.

Außerhalb von New York City und Fürth wird das Kleeblatt allerdings ansonsten kaum wahrgenommen. Dafür bietet der Verein offenbar eine gewisse Angriffsfläche für Spott. Seit der Fusion mit dem TSV Vestenbergsgreuth 1996 muss die Spielvereinigung damit leben, dass sie offiziell das Präfix „Greuther“ spazierenträgt – was für außerfränkische Ohren in etwas so sexy klingt wie Diarrhoe Düsseldorf. Und dann wäre da noch der seltsame Stadionname. Jeder Fan, der den Namen „Playmobil-Arena“ für seinen allwöchentlichen Standplatz loswird, dürfte wohl um ein Freudenfeuer tanzen. Es sei denn, es wird danach in „Trolli-Arena“ umbenannt. Dann springt er entkräftet hinein.

In sieben der letzten zehn Jahre belegte Fürth am Ende der Saison Rang fünf, heute steht man einen Platz besser. Die Chancen aufzusteigen, sind also mal wieder gut. Archivar Jürgen Schmidt hofft jedenfalls inständig, dass es dieses Mal klappt: „Ein Aufstieg wäre in jeder Hinsicht ein Glücksfall. Dann kämen mit einem Schlag auch die Zuschauer, die wir in all den Jahren in der Bayernliga verloren haben.“

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