FILM
Wie der Totenkopf ans Millerntor kam
Beim Geschichtswettbewerb wurde ein Film ausgezeichnet, den Hamburger Schüler gedreht haben. Von Jörg Marwedel
Das Siegerfoto: Arthus Bender, Christian Reer, Jesse Gerst, John Henry Könemann, Mauritius Wiit, Paul Groenwald aus den 11. Klassen des Helene-Lange-Gymnasiums und des Gymnasiums Kaiser-Friedrich-Ufer mit Tutorin Marit Kümmel, Schulsenator Ties Rabe (hi. li.), und Thomas Paulsen von der Körber-Stiftung. Foto: Claudia Höhne
Bei Youtube ist neuerdings ein 30-minütiger Film über den FC St. Pauli zu sehen. Es ist keine gewöhnliche Dokumentation sondern eine, die sich mit der Wandlung des Klubs in den achtziger Jahren vom „sehr gesitteten, sehr bürgerlichen Verein“ (Aufsichtsrat Roger Hasenbein) zur Heimat der linken Fußballfans befasst. „Der FC St. Pauli und die Hafenstraße“ heißt er und beginnt mit dem Ton-Steine-Scherben-Lied „Keine Macht für niemand“.
Der Film ist das Produkt eines Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten und der Körber-Stiftung mit dem Thema „Bewegte Zeiten. Sport macht Gesellschaft“. Sechs Schüler vom Gymnasium Kaiser-Friedrich-Ufer und vom Helene-Lange-Gymnasium haben sich des Themas angenommen. Herausgekommen ist ein Film, der zu den Siegern des Wettbewerbs zählt und gut beleuchtet, wie der Klub zum Image des etwas anderen Vereins kam und was die Bewohner des Stadtteils damit zu tun haben.
Demos begannen am Stadion
Viele Zeitzeugen wurden interviewt: vom einstigen St. Pauli-Kapitän Jens Duve und Bewohnern der Hafenstraße bis zum ehemaligen Hauptpastor des Michel, Helge Adolphsen. Vom Aufsichtsrat Hasenbein bis zu Sven Brux, damals Punk und heute Sicherheitschef des Millerntorstadions. Artur Bender, 17, Sprecher des Schülergruppe, hat besonders beeindruckt, „wie schnell es ging, dass die Hafenstraße den Klub transformiert hat“. Gesellschaftliche Themen des Stadtteils wie der Zuzug vieler Wohlhabender wurden aufgegriffen. Demos dagegen wurden „am Stadion gestartet“, weiß Bender nun.
Mit Volker Ippig, der mal in der Hafenstraße wohnte, Aufbauhelfer in Nicaragua war und in der Bundesliga im FC-Tor stand, hätte das Filmteam auch gern gesprochen, denn er war ja eine Symbolfigur für die Wandlung des Klubs. Er war aber ebenso wie Doc Mabuse, dem Punk, der die Totenkopffahne erstmals mit zum Millerntor nahm, nicht zu erreichen.
Trotzdem haben die Schüler (manche sind sogar HSV-Fans) sehr gut herausgearbeitet, wie sich der FC St. Pauli neu erfand. Es begann damit, dass beim HSV im Volksparkstadion Mitte der achtziger Jahre immer mehr organisierte Rechtsradikale auftraten und mancher Fußballfan eine neue Heimat suchte. Als Pauli-Präsident Heinz Weisener ein neues Stadion namens Sport Dome mit ausschließlich Sitzplätzen und Hotel bauen wollte, standen Pauli-Fans und Bewohner des Viertels gemeinsam gegen diese Pläne auf. Und nachdem der schwarze Nürnberger Profi Souleymane Sané beleidigt wurde, haben Fans und Profis durchgesetzt, einen Anti-Rassismus-Paragrafen in die Stadionordnung aufzunehmen.
Viele dachten zunächst, die Aktivisten würden irgendwann wieder verschwinden. Doch die Prognose über die damals neuen Fans war falsch. „Es gibt“, sagt Aufsichtsrat Roger Hasenbein am Schluss des Films, „eine ganze Menge Menschen, denen es nicht nur um Fußball geht, sondern auch um bestimmte Werte“.
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