PLATZWARTPROTEST

Alle Bälle liegen still, wenn dein starker Arm es will

Wenig Geld für zu viel Arbeit: Hamburgs Sportplatzwarte sind sauer, protestieren und suchen den Schulterschluss mit Vereinen und Fans. Text und Fotos: Sven Taucke

Demonstration der Platzwarte

Am Ende in der Dieselstraße etwas Rauch für das Abschlussfoto. Foto Sven Taucke

 

Barmbeker Bahnhof, Samstag, 14. Oktober, zwölf Uhr Mittags, Schmuddelwetter. Der HSV Barmbek-Uhlenhorst feiert Geburtstag, 100 Jahre alt ist der Verein geworden und hat sich Altona 93 zum Jubiläumsspiel eingeladen. In zwei Stunden soll einen guten Kilometer entfernt an der Dieselstraße der Partykick steigen. Die Hamburger Sportplatzwarte wollen das Traditionsmatch als Ziel für einen als Demonstrationszug nutzen. Kolleg*innen aus anderen Bereichen sind gekommen. Nicht nur aus dem öffentlichen Dienst, sondern auch aus dem Hafen oder von Airbus. Fans von Altona 93 und Hamm United sind ebenfalls dabei. Ver.di hat die Demonstration angemeldet. Für die Gewerkschaft unterstützt Alexis Karvountzis die Aktionen während des Arbeitskampfes vor Ort. Knapp hundert Menschen kann er zur Auftaktkundgebung an der Piazzetta Ralph Giordano begrüßen.
 
Am 11. Oktober beschloss die Ver.di-Bundestarifkommission des öffentlichen Dienstes ihre Forderungen für die anstehende Tarifauseinandersetzung. 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro mehr pro Monat soll es geben. Die Verhandlungen starten am 26. Oktober. Kommt es zu Streiks, so werden auch Hamburgs Sportplatzwarte die Arbeit niederlegen. Und das heißt: Keiner da, der die Anlagen aufschließt, das Flutlicht einschaltet, Kabinen zuteilt, die Plätze aufräumt, die Klos putzt. Und das gilt für die ganze Stadt. Kein Training, kein Spielbetrieb für Tausende von Kicker*innen in Hamburg, so lange ein möglicher Ausstand dauert. Ohne die Platzwarte geht gar nichts.
 
Die Stimmung ist schlecht bei den Sportplatzwarten, und das seit Jahren. Nicht nur wegen des lieben Geldes. Jetzt gehen sie an die Öffentlichkeit. Der Besuch einer Abordnung mit Flyern und Transparenten beim Altonaer Heimspiel gegen den SV Rugenbergen am Abend der Ver.di-Ankündigung war nur der Beginn einer Kampagne. In Barmbek übernimmt jetzt Detlev Meyer das Megafon, seines Zeichens Platzwart im Hammer Park, dort, wo Oberliga-Absteiger Hamm United seine Heimspiele in der Landesliga Hansa austrägt. Weil Meyer weiß, dass zu einer Demo gute Stimmung gehört, hält er nicht nur eine kämpferische Rede, sondern sorgt mit seinem Lautsprecher auf einem Bollerwagen auch für ein passendes musikalisches Beiprogramm mit Arbeiterliedern und Punk. Wer das für aus der Zeit gefallen hält, hat Detlev Meyer noch nicht auf einer Demo erlebt.

 

Platzwartprotest in der Adolf-Jäger-Kampfbahn

Die Flyer kamen an der Adolf Jäger Kampfbahn gut an. Foto Sven Taucke

 


 
Grund zum Protest gab es für Meyer nicht immer. Als er vor knapp 23 Jahren Sportplatzwart wurde und in seine Dienstwohnung im Hammer Park zog, war er mit dem Job sehr zufrieden. „Mein erster Chef war immer ansprechbar, wir haben hervorragend zusammengearbeitet.“ Davon könne aber jetzt eben keine Rede mehr sein. Und so streitet der auch ohne Lautsprecher gut zu vernehmende Gewerkschafter und Sozialdemokrat für faire Löhne und bessere Arbeitsbedingungen.

Der Ärger für Meyer und Kollegen begann im März 2021. Da änderte das Personalamt die Regelarbeitszeiten, aus regulären 38,5 wurden dank Überstunden satte 48 Wochenstunden. Konnten diese Überstunden früher abgebummelt werden, ist die Haltung des Personalamtes seitdem, dass diese mit einer bereits existierenden Pauschale für Sonn- und Feiertagsarbeit von 206 Euro abgegolten seien. Eine neue Spielregel also, die nichts weiter besagt, als dass die Sportplatzwarte nun einfach neuneinhalb Stunden mehr pro Woche mehr arbeiten müssen.
 
Auf dem Flyer mit Ver.di-Logo, der auf der Kundgebung verteilt wird, werden die Arbeitsbedingungen noch einmal eindrücklich beschrieben. In einem zitierten Brandbrief eines Sportplatzwartes heißt es: „Die Kolleg*innen sind teilweise monatlich über 200 Stunden auf der Anlage. Sieben Tage die Woche, zwölf Stunden am Tag. Das für einen Überstunden-Festbetrag von 206 Euro brutto – damit ist jeder Feiertag, jeder Samstag, jeder Sonntag, alle Spätdienste und alle Überstunden abgegolten.“
 
Bei einer Ver.di-Umfrage beklagten jüngst 70 Prozent der Mitarbeiter, das sie zu viele Überstunden machen würden. Die dafür ausgezahlte Pauschale reiche bei keinem aus. Besonders anstrengend, erzählt einer, der seinen Namen nicht in den Medien sehen will, sei es in den Wochen nach den Corona-Schließungen gewesen. 30 Tage habe er durchgearbeitet, und als er später einmal krank gewesen sei, sei ihm am ersten Arbeitstag angedroht worden, ihn zu versetzen. Wer sich umhört, bekommt viele solcher Geschichten zu hören. „Manchmal“, sagt ein anderer, „bekommt man das Gefühl, dass sie uns gar nicht mehr haben wollen.“
 
In der Tat gab es in diesem Jahr Pläne des Personalamtes, die Arbeit auf den Sportplätzen anders zu organisieren, erklärt Gewerkschafter Alexis Karvountzis: „Die Idee war, ab August die Arbeit durch Kolonnen, die von Platz zu Platz ziehen, machen zu lassen und so die festen Kräfte zu sparen. Aber die Sportplatzwarte und auch die Vereine haben sich erfolgreich dagegen zu Wehr gesetzt.“ 25 Vereine hatten einen Brief der Sportplatzwarte unterschrieben, in dem gefordert wurde, von den Plänen abzusehen. Vor allem der Gedanke, keine festen Ansprechpartner am Platz mehr zu haben, erschrak die Vereins-Aktiven. „Wir sind“, sagt Detlev Meyer, „eben mehr als Handwerker. Wir kennen die Leute und Vereine vor Ort, sind in den Vierteln zuhause.“ Der Einspruch zeigte Wirkung, die Pläne für Kolonnen waren vom Tisch, sobald die Ämter Gegenwind aus den Vereinen bekamen.
 
Der erfolgreiche Protest gegen die Kolonnen macht den Sportplatzwarten Mut für zukünftige Aktionen während des Arbeitskampfes. An vielen Sportplätzen hängen Banner, auf denen „Gerechte Löhne und Arbeitszeiten für unsere Platzwarte“ gefordert wird. In den nächsten Wochen werden Flyer auf Sportplätzen verteilt, Protestmails an Politiker gesendet, weiter bei Vereinen um Unterstützung geworben.
 
Als der Demozug in der Dieselstraße ankommt, werden Rauchtöpfe gezündet und noch einmal Parolen gerufen. Vor dem nächsten Regenschauer werden die Transparente eingerollt, Detlev Meyer packt seine Box ein. Sie wird nicht lange still bleiben. Der Rest des Tages gehört aber jetzt dem Fußball.
 

Zuerst erschienen in der Stadionzeitung Dreiundneunzig von Altona 93, Nummer 06/2023
https://www.altona93.de/stadionzeitung/

 

 

Demonstration der Platzwarte

Detlev Meyer ist auch Fußballfan. Deshalb durften auch Geburtstagswünsche für BU (100 Jahre) und den AFC (130 Jahre) nicht fehlen. Foto Sven Taucke

 

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