Samira Samii

Der Black-Transfer-Freitag

Sportmanagerin und RUND-Kolumnistin Samira Samii über den FC Bayern München, Harry Kane und das Ende der Transferperiode.

 

Sportmanagerin & Rund-Kolumnistin Dr. Samira Samii

Sportmanagerin & Rund-Kolumnistin Dr. Samira Samii

 

Frau Samii, als erfolgreiche Sportmanagerin gehen Sie beim großen FC Bayern München ein und aus und sind immer auf dem neuesten Stand. Das Sommertransferfenster ist nun in allen europäischen Topligen geschlossen. Was denken Sie über die gelaufenen Wechsel?

Samira Samii: International hat Chelsea mit über 320 Mio Euro am meisten Geld für neue Spieler ausgegeben. Das ist mehr als doppelt so viel wie der FC Bayern. Selbst in der Bundesliga ist der FC Bayern nicht der Transfer-Spitzenreiter. RB Leipzig hat eine Million Euro mehr ausgegeben, was mich ehrlich gesagt überrascht hat. Aber die Bayern haben auch sehr clever frisches Personal akquiriert. Konrad Laimer und Raphael Guerreiro konnte man ablösefrei gewinnen. Und dann war da noch der Black-Transfer-Freitag. 

 

Sie haben den Black-Transfer-Freitag angesprochen. Wie kann dem FC Bayern so etwas passieren?

Samira Samii: Die gesamte Transferperiode war für den FC Bayern komplett verrückt. Das lag natürlich daran, dass die Bayern nach der letzten Saison einen Umbruch brauchten und das heißt Veränderungen. Den Vorstand ausgetauscht und die „alten Vereinsgrößen“ wieder an der Macht und im Zentrum aller Entscheidungen zusammen mit dem neuen Vorstandsvorsitzenden Jan-Christian Dreesen in der Transfer-Task-Force. Von Anfang an war klar, dass mit Harry Kane wieder ein echter „Neuner“ zu den Bayern kommt, aber der Eigentümer von Tottenham Hotspurs, Joe Lewis, galt immer schon als harter Verhandler und schwieriger Charakter. Also entwickelte sich dieser Wechsel wie ein Krimi und Harry Kane musste am Schluss sogar Stundenlang vor dem startklaren Privatjet der Bayern warten, bis Lewis endgültig sein Okay gab.

Der Black-Transfer-Freitag, also der letzte Tag der Transferperiode, der in diesem Sommer auf einen Freitag fiel, war für den FC Bayern schwarz, weil alle geplanten Transfers nicht mehr vollzogen werden konnten. Thomas Tuchel wollte unbedingt noch eine „holding six“, einen defensiven Balleroberer und einen Rechtsverteidiger. Joao Palhinha hätte am letzten Tag der Transferperiode unbedingt noch verpflichtet werden sollen. Er war sogar schon in München und die Bayern haben sich mit Fulhalm bereits über eine Summe geeinigt. Alle Beteiligten haben sich super gefreut! Jedoch fand Fulham für Palhinha bis zum Ende der Transferperiode in Deutschland, um 18:00 Uhr keinen Ersatz und so musste Palhinha wieder zurück zu Fulham. In den letzten Stunden des Sommer-Transfer-Fensters hat Bayern auch für Armel Bella-Kotchap und Trevoh Chalabah Absagen bekommen. Und so geht dieser letzte Tag der Transferperiode 2023 als „Schwarzer-Transfer-Freitag“ in die Geschichte ein.     

 

Was halten Sie von der Verpflichtung von Harry Kane?

Samira Samii: Der Transfer von Harry Kane ist ein Meilenstein für den FC Bayern München und die gesamte Bundesliga. Nach dem Milliarden-Vertrag der Premier League über die Vermarktungsrechte haben alle geglaubt, dass Transfers nur noch eine Richtung, und zwar in die Premier League, kennen. Seit diesem Sommer spielt ausgerechnet der Kapitän der englischen Nationalmannschaft für den FC Bayern und in der Bundesliga. Ich finde es super, dass die Bayern über ihren eigenen Schatten gesprungen sind und so tief in die Tasche gegriffen haben. Harry Kane ist eine unglaubliche Bereicherung und Aufwertung der Bayern und der gesamten Bundesliga. Mein Dank geht nach München und ich denke, es wächst gerade etwas zusammen, was zusammen gehört.!

 

Wie meinen sie das genau? 

Samira Samii: Ich meine, dass Kane gut zu Bayern passt und die Bayern auch Harry Kane weiterhelfen werden. Schauen sie sich den Bundesligastart doch an. Im ersten Spiel bereitet Kane das erste Tor von Leroy Sané vor und schießt später noch selber ein Tor. Harry Kane schießt selber Tore, macht seine Mitspieler auch besser und rückt die Hierarchie in der Kabine wieder zurecht. Nach drei Spielen kann man sagen, das passt großartig, auch wenn Kane im dritten Spiel gegen Gladbach kein Tor geschossen hat. Wann hatte Bayern nach 3 Spielen, 3 Spieler unter den besten Torjägern gehabt. Harry Kane und Leroy Sané haben beide 3 Tore nach 3 Spielen. Ich denke auch, dass diese beiden Spieler dieses Jahr die Unterschiedsspieler werden.  

 

Also macht Kane auch andere verunsicherte Bayernprofis wieder stärker?

Samira Samii: Ja, mit Sicherheit. Insbesondere Sané wird von Kane profitieren und seine vielleicht beste Saison spielen. Auch Müller, wenn er spielt, wird profitieren, da er sich sehr gut mit Kane versteht. Die zweite Halbzeit gegen Gladbach war eine Machtdemonstration, auch ohne „holding six“.

 

Was sagen sie zu den Interviews von Thomas Tuchel und Jan-Christian Dreesen?

Samira Samii: Ich verstehe auf der einen Seite Tuchel, der sein System und sein Wunschteam vor Augen hat. Auf der anderen Seite war die Aussage von Dreesen, dass der Kader gut sei und Tuchel kreativer werden muss sehr grenzwertig mit Explosionsgefahr. Alle wollten noch Spieler holen und es hat am letzten Tag nicht geklappt. Jetzt in der Öffentlichkeit alles dem Trainer vorzuwerfen ist nicht Bayern like. Alle werden sich beruhigen und dann im Winter für die großen Championsleague-Nächte nachrüsten.

 

Sie sind die einzige weibliche Sportmanagerin in der Bundesliga. Was halten Sie vom TV-Auftritt von Tabea Kemme im Spanien-Trikot?

Samira Samii: Kemme trat im spanischen WM-Trikot der Frauennationalmannschaft mit der Nummer 10 von Jennifer Hermoso vor die Kamera. Das ist natürlich ein starkes Zeichen der Loyalität zu Hermoso. Die Bilder nach dem gewonnenen WM-Finale gingen um die Welt und der Kuss des Verbandspräsidenten Luis Rubiales auf den Mund sorgte weltweit für einen Skandal. Auch ich bin in meiner Karriere als einzige weibliche Fußball-Managerin schon öfter unangenehm angesprochen worden, aber mich hat noch niemand unerlaubt auf den Mund geküsst. Der Frauenfußball muss weiter aufgewertet werden, damit sich ein solches Machoverhalten nicht wiederholt.

 

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