BEATLES UND FUSSBALL
Strawberry Anfield Forever
Im kürzlich auf DVD wieder veröffentlichten Film „Help!“, sieht man John Lennon, wie er dribbelt und schießt. Es mag dem Drehbuch geschuldet sein, dass die Szene mit dem Ball ziemlich unbeholfen wirkt. Ob sich die Beatles jemals für Fußball interessierten, bleibt eines der letzten ungelösten Rätsel der Fab Four. RUND hat recherchiert. Von Matthias Greulich.
George Best und die Beatles: John und Paul
kommen zu spät, George und Ringo (unten links) schauen zu Illustration Manel
Und dann trug John Lennon doch noch das Trikot des FC Liverpool. Fans der „Reds“ streiften es der Statue des berühmtesten Sohns der Stadt am John Lennon Airport im Mai 2005 nach dem Gewinn der Champions League über. Das Sicherheitspersonal, sicherlich Anhänger des Lokalrivalen FC Everton, verstand keinen Spaß und entfernte das rote Hemd so schnell es ging.
Popmusik und Fußball spielen sich auf der Insel fast zwanghaft die Bälle zu: Damon Albarn (Gorillaz, Blur) liebt Chelsea, die Gebrüder Gallagher von Oasis unterstützen Manchester City und Robbie Williams spielt sogar selbst ganz passabel. Und alle beziehen sich auf die Beatles, deren Lieder in vielen Stadien die Melodie der Fangesänge liefern. Auf der Beerdigung von George Best wurde „The Long And Winding Road“ gespielt, obwohl der Verstorbene privat lieber die Rolling Stones gehört hatte. Der langhaarige Best, der erste Popstar unter den Fußballern, wurde der „fünfte Beatle“ genannt. Ob sich die Fab Four selbst allerdings überhaupt jemals für Fußball interessiert haben, bleibt rätselhaft. George Harrison war bis zu seinem Tod am 29. November 2001 ein großer Fan der Formel Eins und von Motorradrennen. Sein Sohn Dhani soll regelmäßig ins Stadion gehen – als Dauerkarteninhaber der „Reds“.
Die RUND-Recherche beginnt in London mit einer Anfrage bei Paul McCartneys PR-Agenten. „No comment“, heißt es dort zu diesem heiklen Thema. Dabei ist McCartney im Juni 2008 Stadion an der Anfield Road aufgetreten, als Liverpool Kulturhauptstadt Europas war.
Die engsten deutschen Freunde der Band sind kooperativer. Wenn Astrid Kirchherr über die Beatles spricht, muss sie nicht lange überlegen. Sie war ihre engste Vertraute, als die Jungmusiker aus Nordengland in Hamburg gastierten. Sie verlobte sich mit Bandmitglied Stuart Sutcliffe, der die Band verließ und den Bass an Paul McCartney übergab. Aber Fußball? Da kommt die Fotografin im Interview erstmals länger ins Grübeln. „Ich glaube, Ringo hat sich dafür interessiert. Aber das kann ich nicht beschwören“, sagt die Frau, die auf dem Heiligengeistfeld in Sichtweite des Stadions des FC St. Pauli die ersten professionellen Beatles-Bilder machte. Ein englischer Journalist berichtet, dass Ringo als Kind Anhänger von Arsenal war, weil sein Stiefvater aus London ihn zu den Spielen der „Gunners“ mitnahm.
Hat aber Astrid Kirchherr vielleicht als bekennende Fußballlaiin nur nicht hingehört, wenn John und Paul im Hamburger Exil nächtelang über den Tabellenstand der englischen Liga fachsimpelten? Der renommierte Grafiker und Musiker Klaus Voormann hat über die Zeit in Hamburg jüngst das Buch „Four Track Stories“ veröffentlicht: „Ich bin ja nun selbst ein Fußballfan und habe auch selber eine Menge gespielt. Leider, und das zu meiner größten Erschütterung, musste ich feststellen, dass unsere Beatlebuben null mit Sport am Hut haben, und das betrifft alle. Die hatten so viel mit ihrer Musik und Karriere zu tun, da blieb wohl keine Zeit für so etwas.“
In den zahlreichen Beatles-Biografien gibt es vereinzelt Hinweise, in der „Beatles Anthology“ berichtet Paul, wie er als Kind mit Onkel Harry und Onkel Ron, beide Fans des FC Everton, ins Goodison Park Stadium ging. „Einmal hatte ein Zuschauer eine Trompete dabei und kommentierte das Spiel musikalisch. Wenn ein Spieler viel zu hoch am Tor vorbei schoss, spielte er ,Over The Mountains, Over The Sea‚Äò. Sehr gekonnt.“ Macca soll sich auch als Beatle Spiele von Everton angeschaut haben, wie etwa das 0:1 nach Verlängerung verlorene Pokalfinale gegen West Bromwich Albion.
Vor einigen Jahren wurden auf „Let It Be Naked“ unter dem passenden Namen „Fly On The Wall“ Improvisationen und Gesprächsfetzen veröffentlicht, die 1969 bei Jam Sessions im Studio aufgenommen wurden. Die Gruppe steuerte auf ihre Auflösung zu, doch ihren sprichwörtlichen Humor hatten sie nicht verloren. Ringo berichtet von der täglichen Begegnung mit einem Sportfanatiker: „Er erzählt dir alles über jede Fußballmannschaft: ,Sie haben es geschafft, Mann!“ George fragt ungläubig: „Spielen sie jeden Abend?“ Ringo: „Gestern war es Chelsea.“ Paul setzt einen drauf: „Er weiß alles über die Hockeymeisterschaft vom letzten Jahr.“
John Lennon ist bei diesem Gespräch nicht zu hören. Offiziell kokettierte er mit seiner Ablehnung des Sports, doch die meisten Bezüge zum Ballsport im Werk der Beatles gingen überraschenderweise auf ihn zurück. Die Beweise, dass er der größte Fußballfan der Beatles war, sind erdrückend. Er sorgte dafür, dass ein Fußballer auf dem Cover von „Sergeant Pepper“ Platz fand: Neben Marlene Dietrich steht Albert Stubbins, der Mittelstürmer des FC Liverpool von 1946 bis 1952. Eine später veröffentlichte Version des erstmals auf dem Weißen Album erschienenen „Glass Onion“ schließt mit „It’s a goal!“ aus der Reportage des legendären BBC-Reporters Kenneth Wolstenholme zum 3:2 des WM-Finales 1966, dem berühmten Wembleytor. Lennon reiste im August 1968 in die alte Heimat, zum Lokalderby der „Reds“ gegen die „Toffees“; auf der Platte „Let It Be“ von 1970 wird in „Dig It“ Matt Busby erwähnt, der Meistertrainer von Manchester United und Spieler des FC Liverpool.
Und auf die Hülle seines Soloalbums „Walls and Bridges“ brachte Lennon eine Fußballerzeichnung, die er als Elfjähriger gemacht hatte. Das war 1974, er war in die USA übergesiedelt und dachte nostalgisch an seine Kindheit zurück. Als ein ganz normaler englischer Junge, der den Fußball liebte.
Die Bücher von Klaus Voormann sind unter
www.voormann.com erhältlich
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