EM-HISTORIE
„Elfmeter sind ziemlich einfach“
Andrea Pirlo hat es ihm nachgemacht: Der Tscheche Antonín Panenka ging 1976 in die Fußballgeschichte ein, als er mit einem gelupften Elfmeter im EM-Finale Sepp Maier bezwang. Im RUND-Interview spricht er über die hohe Kunst, Strafstöße zu verwandeln. Von Till Janzer und Jan Szyszka



Antonin Panenka
Elf Meter entfernt: Um vom Punkt zu treffen, muss
man aus Überzeugung in eine Ecke schießen oder den Keeper beobachten, sagt der große Elfer-Experte Panenka Foto Pixathlon

 

 

RUND: Herr Panenka, wie schießt man den perfekten Elfmeter?
Antonín Panenka: Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder man schießt ihn aus Überzeugung in eine Richtung oder man schaut sich an, wohin sich der Torhüter bewegt. Dann braucht man die stärkeren Nerven. Ich habe mir immer einen langen Anlauf gegönnt, neun, zehn Meter. So hatte ich Zeit zu sehen, wie sich der Torhüter verhalten wird, wie er sich bewegt. Dann habe ich die Richtung gewählt. Ich verstehe es nicht, wie viele Spieler nur ein, zwei Meter Anlauf nehmen. Das ist viel zu wenig.

RUND: Woran lags dann bei Baggio oder Beckham?
Antonín Panenka: Die Psyche.

RUND: Keine Windböen oder unebener Rasen?

Antonín Panenka: Alles Ausreden. Entweder ist ein Elfmeter gut oder schlecht geschossen.

RUND: Sie haben über 100 Tore geschossen, sind mehrmals österreichischer Fußballmeister und Pokalsieger geworden. Stört es Sie nicht, dass Sie in erster Linie als derjenige gesehen werden, der im EM-Finale den Elfmeter gelupft hat?
Antonín Panenka: Ich bin auch stolz auf den Elfer, muss aber auch bekennen, dass er alles vergessen lässt, was ich im Fußball gemacht habe.


RUND: Sind Sie selber schon mal schweißgebadet aufgewacht, weil Sie geträumt haben, der Elfer würde danebengehen?

Antonín Panenka: So grausam nicht. Aber natürlich haben mich viele Leute immer wieder gefragt, was gewesen wäre, wenn ich den Elfmeter nicht verwandelt hätte. Da sage ich: Ich wäre dann heute Dreher beim Metallbetrieb CKD mit 30-jähriger Praxis. Denn hätte ich ihn nicht reingemacht, wäre der Lupfer damals in manchen Kreisen als ein Nicht-ernst-Nehmen oder Lächerlichmachen des politischen Systems verstanden worden. Auf mich wären dann bittere Stunden zugekommen.

RUND: Dann müssen Sie doch im Vorfeld eigentlich gebangt haben, ob Ihnen das Stück gelingt?
Antonín Panenka: Ich war überzeugt, dass es klappt. Ich hatte schon zwei Monate vorher publik gemacht, dass ich den Elfer so schießen würde. Die Mitspieler und Trainer wussten das, ich hatte damit ja nicht hinterm Berg gehalten.

RUND: Sie haben den Lupfer trainiert?
Antonín Panenka: Damit habe ich schon zwei Jahre zuvor begonnen. Weil ich eine Spielerseele bin, blieb ich mit unserem Torhüter bei Bohemians, Zdenek Hruska, nach dem Training immer noch etwas und habe Freistöße und Elfmeter gegen ihn geschossen. Damit das Ganze ein bisschen Pepp bekam, haben wir daraus einen Wettbewerb gemacht. Wir haben um ein Bier oder Schokolade gewettet. Er war aber ein guter Torhüter, weswegen ich nach einer Zeit anfing, die Wetten zu verlieren. Damit ich mal wieder gewann, bin ich eben auf den Lupfer gekommen.

RUND: Was heißt das genau?
Antonín Panenka: Der Torhüter bleibt beim Elfer zu 99 Prozent nicht stehen, er entscheidet sich immer im letzten Moment und springt dann in eine Ecke. Deswegen habe ich mir überlegt: Wenn ich hart schieße, kann er mit einem Reflex noch an den Ball kommen. Wenn ich nur so einen leichten Heber mache, dann kann der Torhüter, der schon losgesprungen ist, nicht mehr in der Luft zurück. Das ist das ganze Prinzip dieses Elfmeters. Ich begann das also an ihm zu trainieren, was ein Vorteil war. Der Nachteil war, dass ich wegen der Schokolade, die ich nun gewann, anfing dicker zu werden.

RUND: Wie häufig haben Sie ihn so geschossen?
Antonín Panenka: Rund 35-mal in meiner Karriere. Und nur einmal habe ich ihn nicht verwandelt. Eine hohe Erfolgsquote also. Da blieb der Torhüter einfach stehen.

RUND: Das heißt, danach haben Sie Elfmeter auch wieder auf andere Weise geschossen.

Antonín Panenka: Alle Torhüter dachten, ich kann den nur in die Mitte schießen. So dumm bin ich aber nicht.

RUND: Unter den Torhütern dürften Sie nicht gerade beliebt gewesen sein.

Antonín Panenka: Ich weiß, dass Sepp Maier immer noch böse auf mich ist. Ich wollte aber nie jemanden lächerlich machen, ich habe den Elfmeter einfach so getreten, weil ich ihn auf die einfachste und effektivste Art verwandeln wollte.

 

Antonin Panenka
In Prag: Antonin Panenka heute Foto Pixathlon

 

Das Interview ist in RUND #12_07_2006 erschienen

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