INTERVIEW
„Spielerfrauen machen heute eigene Medienkarrieren“
Sylvie van der Vaart ist fast präsenter als Ehemann Rafael. Die Expertin für Spielerfrauen Christine Eisenbeis erklärt im RUND-Interview, warum die Medien immer häufiger über die Gefährtinnen der Stars berichten. Sie hat die erste Diplomarbeit über Spielerfrauen und das Buch "Im nächsten Leben, werd ich Spielerfrau" geschrieben. Interview Matthias Greulich
RUND: Frau Eisenbeis, warum hat sich die Wissenschaft bislang so wenig mit dem Phänomen Spielerfrau beschäftigt?
Christine Eisenbeis: Viele Wissenschaftler rümpfen die Nase und fragen, ob es überhaupt ein wissenschaftliches Thema ist. Wie viele, sehen auch ich es negativ, dass die Sportberichterstattung immer boulevardesker wird und die Sportveranstaltungen zum Unterhaltungsprodukt werden. Aber gerade deshalb muss man sich doch mit den Phänomenen befassen. Ich habe mich viel mit dem Thema Prominenz an sich beschäftigt. Auch darüber wurde bislang verhältnismäßig wenig geforscht. Seitdem es immer mehr People-Magazine gibt, die immer mehr Prominente hervorbringen ist es deutlich einfacher prominent zu werden. Das kann ein Grund sein, warum man sich bislang nicht so darum gekümmert hat.
RUND: Was hat Sie an den Spielerfrauen interessiert?
Christine Eisenbeis: Als Frauen von berühmten Menschen treten sie immer wieder in den Medien auf. Ich wollte wissen, warum die Medien darüber berichten und andererseits interessierte mich, warum das Image der Spielerfrauen immer noch so schlecht ist. Und außerdem ist es spannend zu sehen, dass es ausreicht mit einem Spieler liiert zu sein, um eine eigene Medienkarriere zu machen.
RUND: Einige Medien haben abgestritten, dass sie über die Frauen der Profis berichten. Warum?
Christine Eisenbeis: Das Thema scheint in einigen Redaktionen immer noch einen negativen Beigeschmack zu haben, viele Medienvertreter distanzierten sich davon. Der Chefredakteur der TV-Sendung „Brisant“ schrieb mir auf meine Interviewanfrage, dass Spielerfrauen kein Bestandteil der Sendung seien. Während meiner Recherche stellte ich dann fest, dass zum Beispiel Claudia Effenberg häufiger in „Brisant“ vorkam. Die „Gala“ berichtet nach eigener Aussage nur relativ wenig über Spielerfrauen - aber 2006 war Victoria Beckham alleine drei Mal auf dem Titelblatt. Zum Vergleich: Melanie C, ihre Kollegin von den Spice Girls schaffte es in diesem Zeitraum nicht aufs Cover, obwohl sie als Solokünstlerin viel erfolgreicher als Frau Beckham war.
RUND: Und was machen die Sportmagazine?
Christine Eisenbeis: Der „Kicker“ verzichtet komplett auf das Thema, die Konkurrenten von der „Sport-Bild“ nicht. Chefredakteur Pit Gottschalk sagte, auch sie würden wenig bis kaum über Spielerfrauen berichten. Was meine Recherchen betreffen, stimmt das allerdings nicht.
RUND: Warum haben Spielerfrauen ein derartiges Negativimage?
Christine Eisenbeis: Ich fürchte, es gibt keine Gruppe von Frauen mit einem schlechteren Image. Das hängt mit dem Bild zusammen, das die Medien viele Jahre lang von Angela Häßler, Gaby Schuster, Martina Effenberg und Bianca Illgner gezeichnet haben. Diese Frauen waren die Managerinnen ihrer Ehemänner in einer Zeit, als Fußball als reine Männersache galt. Sie waren starke Verhandlungspartnerinnen, haben Millionenverträge ausgehandelt und waren so etwas wie die Vorläufer der heutigen Spielerberater. Damals wurde es nicht gerne gesehen, wenn sich Frauen in diese Männerdomäne einmischten.
RUND: Haben die Frauen keine Fehler gemacht?
Christine Eisenbeis: Wenn Pilar Brehme 2006 in der „Welt“ zehn Tugenden von Spielerfrauen in wertender Reihenfolge beginnend mit „Toleranz, Selbstvertrauen, Attraktivität“ bis hin zu Platz zehn „dem Vermitteln von Nestwärme“ beschreibt, liefert sie den Medien mit diesem Quatsch natürlich eine Steilvorlage. Und Frau Illgner bedient alte Vorurteile, wenn sie über die deutschen Spielerfrauen ihrer Zeit in ihrem Buch „Alles“ schreibt, dass die „Mehrzahl einfach nur hohl, aber dafür bis in die Haarspitzen gestylt“ gewesen sei.
RUND: Hat sich das Image der Spielerfrauen inzwischen gebessert?
Christine Eisenbeis: Viele Redakteure haben mir das bestätigt. Die jüngere Generation der Journalisten sieht das Thema viel entspannter und positiver. Ich bin der Überzeugung, dass die Mehrheit der Partnerinnen der Profis nicht so ist, wie es die Berichterstattung suggeriert. Viele haben studiert und üben ganz normale Berufe aus.
RUND: Dient das Thema Spielerfrauen auch einer Emotionalisierung?
Christine Eisenbeis: Auf jeden Fall. Der Sport wird immer mehr emotionalisiert, die Berichterstattung über die Beziehungen der Stars eignet sich dazu hervorragend. Erst kürzlich hat die Chefredakteurin der „Bunte“ Lothar Matthäus wegen seiner jungen Freundin kritisiert. Ein bemerkenswerter Vorgang, denn es gibt viele Männer mit einer jüngeren Freundin.
RUND: An welche Zielgruppen richtet sich die Berichterstattung?
Christine Eisenbeis: Mit dem Thema will man generell versuchen, Nähe zu dem Sportler selbst aufzubauen. Der „Stern“ war vor der WM besonders stolz darauf, das erste gemeinsame Fotoshooting von Michael Ballack mit dessen Lebensgefährtin Simone Lambe zu zeigen. Es ist heutzutage aus Termingründen nicht leicht, mit einem Profi zu reden, oder etwas Neues über ihn zu erfahren. Ich denke, dass sich zumindest die Leser von Boulevardzeitungen dafür interessieren, was im Haus des Sportstars passiert. Bei „ran“ wollte man mit einer solchen Berichterstattung gezielt weibliche Zuschauerinnen ansprechen, was auch teilweise gelang. Interessant war die Aussage der Redakteurin eines People-Magazins. Sie hält die Berichte über Spielerfrauen für eine Inszenierung für Frauen, weil sich Frauen doch eigentlich für andere Frauen besonders modisch anziehen. Und zwar um anderen Frauen zu signalisieren: Ich bin die Schönste. Die Männer wüssten doch gar nicht, was die Frauen da tragen. Ich als Frau glaube, dass sie da irgendwo Recht hat.
RUND: Stimmt das Klischee, dass der teure Einheitslook mit Luis-Vuitton-Tasche vorherrschend ist?
Christine Eisenbeis: Dazu gibt es keine empirischen Daten. Aber es gibt Bilder von Partnerinnen der Nationalspieler, die während der WM diese Taschen trugen. Ich persönlich finde die modisch langweilig. Viele Spielerfrauen haben einen besseren und individuelleren Geschmack.
RUND: Haben sich Stilikonen herausgebildet, die Zuschauerinnen inspirieren?
Christine Eisenbeis: Viele Redakteure haben Sylvie van der Vaart genannt. Selbst die Redakteure der öffentlich-rechtlichen Sender halten einen Zwischenschnitt auf Frau van der Vaart für „mal ganz nett“. Im Gegensatz zu anderen Spielerfrauen ist sie sehr beliebt. Als ihr Mann zum HSV wechselte, hat sie nach kurzer Zeit für ein großes Versandhaus gemodelt. Ihre Vorgängerinnen waren u.a. Heidi Klum. Damit spielt sie natürlich in einer anderen Liga. Sie ist eine Stilikone, das würde ich schon sagen. Sie war MTV-Moderatorin, hat einen kleinen Sohn und sieht unverschämt gut aus. Das macht sie für viele Frauen zum Vorbild.
RUND: Auch Oliver Kahns Freundin Verna Kerth macht eine eigene Medienkarriere. Ist das typisch für moderne Spielerfrauen?
Christine Eisenbeis: Es ist heute nicht mehr der Typus der Managerinnen, der bekannt ist., sondern der Typus Stilikone wie Frau van der Vaart. Fußballer werden immer mehr zu Popstars, die Frauen werden dadurch immer interessanter für die Medien. Und dieses Interesse kann bei einer Karriere als Moderatorin helfen.
Christine Eisenbeis: Ich glaube ganz sicher, dass das für viele so ist. Es wäre interessant, das wissenschaftlich genauer zu untersuchen. Spielerfrau ist scheinbar heute für viele Mädchen ein Beruf, den sie anstreben. Für meinen Geschmack ist Spielerfrau kein erstrebenswertes Dasein. Letztendlich geht es doch immer nur um den Mann, um die Karriere des Profis. Ich finde es eher traurig, wenn die Frauen wegen der Karriere ihres Mannes eigene Ambitionen zurückstecken müssen.
RUND: Über welche Spielerfrau wird momentan am häufigsten berichtet?
Christine Eisenbeis: Sylvie van der Vaart ist sehr präsent. Allerdings nicht so in den bunten Blättern. Dort ist Claudia Effenberg stärker vertreten und es ging meistens um die Beziehung zu Stefan Effenberg. Über Verena Kerth war viel zu lesen, wenn sie Prominentenveranstaltungen besuchte. Es ging ganz selten um ihre Beziehung zu Oliver Kahn. Sie scheint es eher zu vermeiden, über dieses Thema zu sprechen. International ist ganz klar Frau Beckham die, über die am häufigsten berichtet wird.
RUND: Claudia Effenberg überraschte durch immer neue öffentliche Bekenntnisse über ihr Privatleben. Was treibt sie dazu?
Christine Eisenbeis: Verlieben, lieben und entlieben – das alles passiert bei Frau Effenberg öffentlich. Ich frage mich, ob es an ihrem Geltungsbedürfnis liegt, oder ob finanzielle Gründe eine Rolle spielen. Es ist schon außergewöhnlich, so häufig in diesen Blättern aufzutauchen. Aber auch wenn sich die Frauen bewusst zurückhalten, schützt sie das nicht vor Negativberichterstattung.
RUND: Haben Sie dafür Beispiele?
Christine Eisenbeis: Als Michael Ballack bei seinem Wechsel zu Chelsea lange verhandelte, druckte ein Boulevardblatt das Bild seiner Freundin Simone Lambe, die nur sehr selten in den Medien in Erscheinung tritt, mit der Frage: „Entscheidet sie?“ In dem Artikel hieß es, „sie wird sicher ein Wörtchen mitzureden haben“. Ich gehe davon aus, dass Herr Ballack die Entscheidung über seinen zukünftigen Arbeitsplatz mit seine Freundin bespricht. Alles andere wäre doch sehr seltsam. Aber das ist immer noch negativ besetzt. Das ist ein Rückfall in das Frauenbild der 50-er Jahre.
RUND: Sie beschäftigen sich auch mit der Tribüne der Spielerfrauen, die offenbar als Plattform für den Auftritt und den Schwenk der TV-Kameras lebensnotwendig ist und abfällig „Hühnerstange“ genannt wird. Beim Freundschaftsspiel in Wembley standen Frauen der Nationalspieler beinahe unerkannt in der Fankurve. Ein neuer Trend?
Christine Eisenbeis: Davon hatte ich noch nicht gehört. Ich finde das großartig von den Frauen und sehr clever. Die Frauen wollen offenbar nicht immer auf dem Präsentierteller sitzen und hatten keine Lust auf die „Hühnerstange“.
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