Frauenfußball
Acht Jahre mit Figo
Sie wurde mit der U20 Welmeisterin: Kim Kulig riss sich gegen Japan das Kreuzband und musste die Niederlage von der Bank aus mitansehen. Von Roger Repplinger
Foto Oliver Ruhnke
Kim Kulig hat eine von diesen Mützen auf. Weiße Oma-Wollmütze, unter die sie ihre Haare gesteckt hat. Die alte Mütze macht, dass man sieht, wie jung Kim Kulig ist. Damals ist sie 18. Im Container des Hamburger SV am Wolfgang-Meyer-Stadion an der Hagenbeckstraße riecht es frisch geduscht, aber auch nach feuchtem Dackel, Nudelsalat, Kassler und Broiler.
Kim Kulig ist damals 176 Zentimeter groß, sieht auf dem Platz aber größer aus. „Dass ich so groß aussehe liegt daran, dass die anderen noch kleiner sind“, sagt sie. Sie spielt mit den Stutzen überm Knie. Das habe „überhaupt nichts“ mit Cristiano Ronaldo, Daniel van Buyten oder Patrick Ebert zu tun, die das auch machen. Sagt sie. Sondern: „Nur so fühle ich mich wohl.“ Auf die Frage, wie lange sie das schon so macht, sagt sie „ewig“.
Ihr Vorbild ist Luis Figo. „Und zwar schon ewig“, sagt sie. Bei dieser Gelegenheit kommt raus, dass „ewig“ für sie acht Jahre sind.
Kim Kulig wechselt nach der Sommerpause vom Hamburger SV zum 1. FFC Frankfurt. Sie ist schnell, robust, sucht das Tor, setzt ihren Körper ein, kann schießen. Spielerinnen wie sie gibt es in der Bundesliga nicht viele.
Kim Kulig die zwei Brüder und drei Schwestern hat, kommt aus Poltringen, Kreis Tübingen. Sie hat zunächst für Unterjesingen, dann für den VfL Sindelfingen gespielt. Ihr Vater Alfons ist seit Seeler-Zeiten HSV-Fan. „Aber das war nicht entscheidend für den Wechsel nach Hamburg“, sagt sie, sondern der Wunsch, „erste Liga zu spielen.“ Trainer des HSV ist Achim Feifel, dem, als er noch Auswahltrainer in Württemberg war, Kulig auffiel. Als der HSV Kulig ansprach, „hab ich den Schritt gewagt“, sagt sie.
Sie wohnt in einer WG zusammen mit Torwart Jennifer Werth, 19, und der Abwehrspielerin Angelina Lübke, 17, die gerade bei der U-17-WM in Neuseeland ist. Die Drei wohnen ein paar Minuten vom Trainingsplatz in Norderstedt entfernt. Wenn Kulig über die Vorteile von Hamburg im Vergleich zu Poltringen spricht, kommt prompt: „Kurze Wege.“ In der Geschwister Scholl-Schule, Klasse 12, ist es auch okay. Sie hat die Erfahrung gemacht, die alle Schwaben in Hamburg machen: Beim Einkaufen wird geguckt, weil das Hochdeutsch des Schwaben etwas gutturaler klingt, längere Vokale, andere Melodie. Kulig hat gemerkt, dass den Norddeutschen das auffällt, und dass sie zeigen, dass es ihnen auffällt. Sie hat sich entschlossen, dies zu ignorieren.
Vier Mal Training pro Woche beim HSV, dazu Individualprogramm, und Schule, da bleibt wenig Zeit zum Hobby „shoppen“. Was sie nach dem Abi macht, weiß sie noch nicht. Was sie am 14. November macht weiß sie. Da fliegt die U-20 nach Santiago.
Mit an Bord: Nathalie Bock, 20 Jahre, alt, geboren in Recklinghausen, defensive Mittelfeldspielerin des VfL Wolfsburg. Wenn’s dumm läuft streiten sich Kulig und Bock um den Platz im defensiven Mittelfeld der Nationalmannschaft. Bock macht eine Lehre als Verwaltungsfachangestellte bei der Stadt Wolfsburg. Sie hat schon im Kindergarten Fußball gespielt. Vater Sven kickte für die Alten Herren der Sportfreunde Stuckenbusch und trainierte eine Nachwuchsmannschaft. Der große Bruder, Marcel, 23, inzwischen Wasserballer, hat mal für die Aktiven von Stuckenbusch gekickt. Sie hat noch zwei Geschwister, Zwillinge, Dominik, 17, spielt für Schwarz-Weiß Röllinghausen, Laura für Borussia Mönchengladbach.
Hat Nathalie Bock in Mannschaften gespielt, in denen außer ihr nur Jungs waren, „wurde schon mal komisch geguckt“, sagt sie. Es kamen auch Sprüche vom Gegner. „Da haben mich meine Jungs verteidigt und Kontra gegeben“, sagt Bock.
Nathalie Bock hat sich von einem Kreuzbandriss, den sie am 11. Februar 2008 in La Manga beim Spiel der U-23-Auswahl gegen Norwegen erlitt, nicht unterkriegen lassen. Nach acht Monaten hat sie wieder gekickt. Im Moment fühlt sie sich „schlapp, das übliche Tief, wenn man nach so einer Verletzung wieder spielt“, sagt sie.
In der Vorrunde hat es die deutsche U-20 mit Japan, Kanada und der Republik Kongo zu tun. „Erstes Ziel ist das Viertelfinale“, sagt Bock, „Finale ist der Traum.“ Favoriten sind Brasilien, die USA, die Skandinavierinnen. Was Afrikanerinnen und Asiatinnen können weiß keiner. „Die Stadien sollen ziemlich voll sein“, hat Bock gehört. Ein Freund hat ihr ein Buch über Chile zum Geburtstag geschenkt und ein Media-Officer hat den Spielerinnen erzählt, was sie an Enthusiasmus erwartet.
„Mal sehen“, sagt Bock. Ist nicht einfach, cool zu bleiben, vor so einer WM.
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