INTERVIEW
„Ich hab nicht mehr damit gerechnet“
Zum Karrierende von Arne Friedrich: Im Interview erinnert er sich an die WM in Südafrika, bei der er überragend spielte. Ein Auszug aus dem Buch „Die Fußball-Nationalmannschaft. Auf der Spur zum Erfolg“. Interview Roger Repplinger.

 

Arne Friedrich"Überlegen, welchen Weg ich einschlagen möchte": Arne Friedrich hat seinen Vertrag in Wolfsburg aufgelöst. Er kann wegen Problemen mit der Bandscheibe momentan nicht richtig trainieren
Foto Pixathlon

 

Die Fußball-Nationalmannschaft. Auf der Spur zum ErfolgDas komplette Interview mit Arne Friedrich lesen Sie in „Die Fußball-Nationalmannschaft. Auf der Spur zum Erfolg" vom Matthias Greulich (Hg.) und Sven Simon. 176 Seiten, 19,90 Euro, Copress Verlag. ISBN 978-3-7679-1048-5

 

 

Herr Friedrich, sehen Sie Unterschiede zwischen sich, den Jungen und den ganz Jungen?
Arne Friedrich: Die sind viel weiter als ich in deren Alter war. Was das Fußballerische angeht sind sie besser ausgebildet. Außerdem hat der Fußball in Deutschland heute einen anderen, viel höheren Stellenwert als vor zehn Jahren, als ich angefangen habe. Da stand nicht der offensive, attraktive Fußball im Vordergrund, sondern die Dreierkette, das Zerstören, da waren wir die „deutschen Panzer“. Wir spielten ein anderes System. Die Rolle des Außenverteidigers hat sich völlig verändert. Auch außerhalb des Platzes, etwa was den Umgang mit den Medien angeht, sind die jungen Spieler eine ganze Ecke weiter.

War es für Sie eine Befreiung, nicht mehr in einer Dreierkette zu spielen?
Ach, was heißt Befreiung? Ich habe als Befreiung empfunden, dass ich mich als Innenverteidiger positioniert habe. Ich habe lange Zeit Rechtsverteidiger gespielt und immer gesagt, dass dies nicht meine Position ist. Nun hab ich mich in der Nationalmannschaft und im Verein als Innenverteidiger durchgesetzt. Die Einführung der Viererkette war keine Befreiung, sondern Anpassung an den erfolgreichen Fußball.

Heute dürfen Sie als Innenverteidiger auch mal nach vorne?
Da ist auch ein Unterschied zwischen Verein und Nationalmannschaft. Der eine Trainer möchte, dass wir Überzahlspiel im Mittelfeld erzeugen, dass wir auch mal bis zum gegnerischen Strafraum gehen. Der andere Trainer will, dass der Innenverteidiger hinten das Zentrum hält, und keine Überzahlsituation im Mittelfeld erzeugt. Da muss man sich seinem Vorgesetzten, dem Trainer, anpassen. Kann sein, dass ich es anders sehe, aber ich möchte die Aufgaben, die der Trainer stellt, erfüllen.

Wie ist es in der Nationalmannschaft?
Gerade wenn der Gegner nur mit einer echten Spitze spielt, haben die Innenverteidiger die ganze Zeit eine zwei-zu-eins-Überzahl. Dann sollte man versuchen, wenn Platz da ist, im Mittelfeld Überzahl zu schaffen. Rückt ein Innenverteidiger ins Mittelfeld, ist dort ein Mann mehr. Wird gegen zwei Stürmer gespielt, ist es eher so, dass die Außenverteidiger frei sind. Dann hat man als Innenverteidiger nicht die Chance, nach vorne zu gehen. Viele Teams agieren heute mit einer Spitze, da beginnt der Spielaufbau in der Abwehr.

Gehörten Sie zu denen, die nach der WM gesagt haben, wir feiern nicht?
Mit den Fans in Berlin?

Ja.
Diese Entscheidung hat der Mannschaftsrat gemeinsam getroffen. haben aber gesagt, dass wir zweimal in Berlin gefeiert haben, nach der WM 2006 und der Niederlage im EM-Endspiel 2008. In Südafrika waren wir der Meinung, dass wir so etwas nicht mehr wiederholen wollen, sondern nur dann wieder eine große Party mit den Fans feiern wollen, wenn wir auch einen Titel gewonnen haben. Und was die Ankunft auf dem Flughafen in Frankfurt betrifft, als uns vorgeworfen wurde, wir hätten die Fans ignoriert. Wir wussten damals  gar nicht, dass da viele Fans auf uns warteten. Das hatte uns und auch den DFB-Verantwortlichen niemand gesagt, da muss ich uns als Mannschaft in Schutz nehmen.

Das Team will jetzt einen Titel?
Definitiv. Keiner möchte bei der nächsten EM wieder Zweiter oder Dritter werden. Für uns gibt es nur ein Ziel: den Titel.

Warum haben Sie sich festgelegt: 2012 ist Ende?
Das hab ich gar nicht. Ich wurde nach der WM 2014 gefragt. Meine Antwort war, dass es, wenn man realistisch ist, mit 35 Jahren schwer wird, noch in der Nationalmannschaft zu spielen. Ich bin nicht dumm, ich hatte gerade eine schwere Verletzung und bin dabei, meinen Körper so herzustellen, dass ich sagen kann, ich bin bei 100 Prozent. Mein nächstes Ziel ist die EM, und dann wird es so, dass die jüngeren Spieler drängen. Das tun sie schon jetzt.

Nach Ihrem Tor bei der WM gegen Argentinien hat sich die Mannschaft  besonders gefreut.
Ich glaube, das spricht für ihren Charakter. Jeder wusste, dass ich viele Spiele gemacht habe, und über meine Torlosigkeit sogar Witze kursierten. Die Jungs haben es mir gegönnt.

Der „null Tore Arne“.
Ja, das war so ein Spruch. Ich hätte aber auch ohne Tor kein Probleme. Denn dann hätte ich auf jeden Fall einen Rekord gehabt: So viele Länderspiele und kein Tor. Es kommt immer anders, als man denkt. Ich hab nicht mehr damit gerechnet.

Vielleicht ist es deshalb gekommen?
Ja, wenn man was erzwingen möchte, klappt es nicht. Man muss aber auch sehen, wann ich als Abwehrspieler Tore schießen kann. Bei Standards, und ich war bei Standards nie vorne eingeteilt. In der Liga habe ich 14 Tore gemacht, weil ich bei Standards vorne bin.

Von Hertha und Wolfsburg kennen Sie schwierige Situationen. Wenn man da zur Nationalelf fährt, ist das wie einen Wasserrohrbruch im Haus? Man dreht den Schlüssel rum und denkt: Bloß gut, dass ich weg bin.
Ich hab jetzt eine lange Zeit schwierige Situationen im Verein, und es war weder bei Hertha noch bei Wolfsburg vorherzusehen.


Arne Friedrich wurde am 29.5.1979 im Kurort Bad Oyenhausen geboren. Mit 20 Jahren wurde er beim Regionalligisten SC Verl von Hermann Gerland entdeckt, der ihn 2000 zum Zweitligisten Arminia Bielefeld holte. Friedrich wurde bei den Ostwestfalen zum U21-Nationalspieler, im August 2002 berief ihn Teamchef Rudi Völler erstmals in der A-Mannschaft. Damals spielte der Fachabiturient bereits bei Hertha BSC Berlin, wo er bis 2010 unter Vertrag stand. Nach dem Bundesligaabstieg der Berliner wechselte Arne Friedrich im vergangenen Sommer zum VfL Wolfsburg. Mit der Nationalmannschaft wurde er 2006 und 2010 WM-Dritter und Zweiter bei der Europameisterschaft 2008.

Zurück  |