EURO 2008
Teil 2: „Die Uefa will keine Zäune und Fangnetze“
Er kennt die Stadien der Euro ganz genau. Andreas Klee von der Firma Allzweck-Sportartikel liefert unter anderem die Tore, Ersatzbänke und Pfeifen für die Schiedsrichter. Lesen Sie in Teil 2 des Interviews, wie die Uefa Einnahmeausfälle minimiert und in welcher Arena es Probleme gibt. Interview Matthias Greulich


Andreas Klee
„Taktiktafeln, Flaschenträger, Getränke – alles war weg“:
Andreas Klee musste bei der WM häufiger Produkte nachliefern, wenn einige Mannschaften die Kabinen nach dem Spiel leergeräumt hatten Foto privat


RUND: Herr Klee, bei der Euro 2004 in Portugal und bei der WM 2006 haben Sie neue Auswechselbänke in die Stadien gebracht. Reichten die alten nicht mehr aus?

Andreas Klee: Ganz genau. Bei der Europameisterschaft ist es jetzt ein Kader von 23 Menschen, der auf der Auswechselbank sitzt. Das ist nicht so einfach, in der Regel sitzen dort elf bis 15 Personen. Und auf diese Personenanzahl ist auch die Breite dieser Bank ausgelegt und der Platz im Stadion.

RUND: Also können die Zuschauer direkt hinter diesen Bänken nichts sehen?

Andreas Klee: Das ist ein großes Problem. In Portugal wollte man so viele Menschen wie möglich in die Stadien reinbringen. Durch das Absenken der Bänke – teilweise haben wir die sogar bis zu 50 Zentimeter in den Boden reingebaut – hatte die Uefa pro Stadion Mehreinnahmen von 100.000 Euro im Durchschnitt pro Spiel. Dann sind es nur noch die ersten drei Reihen, die nichts mehr sehen, statt der ersten sechs. Und so haben wir drei Reihen gewonnen – und das fast auf die gesamte Breite. Wir haben zwei Bänke, die Offiziellen und das Rote Kreuz sitzt auch noch irgendwo auf einer Bank davor.

RUND: Die Taktiktafeln, an denen Bundestrainer Jogi Löw die Laufwege aufzeigt, sind auch von Ihnen?
Andreas Klee: Die sind von uns. So wie jede Spielführer-Armbinde, Trinkflasche oder jedes Trainingsleibchen, das zu sehen ist. Unsere Mitarbeiter bei uns in Trechtingshausen sind dann immer stolz, wenn die Spiele im Fernsehen laufen.

RUND: Sie sind dann in der Nähe und haben ein Auge auf die Gerätschaften?
Andreas Klee: Bei der Weltmeisterschaft in Deutschland haben wir das natürlich gemacht. Da waren wir bei jedem Spiel vor Ort. Seit dem Vorfall in Madrid, als vor dem Champions-League-Spiel zwischen Real und Dortmund das Tor umgefallen war, muss zwingend ein Ersatztor bereit stehen. Wenn der Extremfall eintritt, steht ein drittes Tor bereit. Das haben wir gemeinsam mit dem Platzwart überwacht. Das ist aber nicht die Regel. Unsere Artikel sind in ausreichender Anzahl vor Ort. Allerdings gab es bei der WM Mannschaften, wenn die irgendwo an einem Trainingsplatz oder in einer Kabine waren, da hing anschließend nichts mehr. Taktiktafeln, Flaschenträger, Getränke – alles war weg. (lacht) Dann müssen wir das natürlich ersetzen. Der Ersatz ist entweder schon vor Ort, oder wird per Kurier geliefert.

RUND: Was erlebt man mit den Platzwarten, Sie haben nicht immer solche Probleme wie in Brüssel?
Andreas Klee: Das ist von Land zu Land sehr unterschiedlich. In Portugal war es wunderschön. Die Menschen waren extrem freundlich und begeistert. Wir haben jede Unterstützung gehabt, die wir brauchten. Jeder war froh, dass ein Team kommt und den Platz herrichtet. In Deutschland war es genau das Gegenteil. Da haben sie einen Platzwart, der das seit 20 Jahre macht und sagt: „Was wollt ihr mir denn erzählen?“ Da hat es länger gedauert, bis allen klar war, dass wir niemandem die Arbeit wegnehmen wollen. Am Ende hatten wir eine sehr gute Zusammenarbeit mit den Platzwarten und Grenkeepern.

RUND: Sie haben sich die Stadien in Österreich und der Schweiz intensiv angesehen. Gibt es da Probleme?
Andreas Klee: Bern und Salzburg, wo eine Naturrasenfläche auf den Kunstrasen gelegt wird, sind kein Problem. Was die Tore betrifft, müssen wir neue Bodenhülsen setzen oder Adapterstücke verwenden. Die Stadien in Österreich und der Schweiz sind eigentlich in einem Top-Zustand. Es sind nur Routinearbeiten. In Genf wird es eine ähnliche Situation für die Auswechselspieler geben wie in Dortmund, wo die Spieler hintereinander in zwei Reihen sitzen.

RUND: Stimmt es, dass Fangnetze und Zäune in den EM-Stadien abgebaut werden?
Andreas Klee: Die Uefa vertritt ein etwas freiheitlicheres System. Sie wollen keine Zäune und Fangnetze in den Stadien. Sie gewähren die Sicherheit vorher. Die Problemgruppen sitzen in speziell abgetrennten Tribünenbereichen. Rund um das Spielfeld wollen sie nichts haben, was den Blick des Betrachters stört. Vorhandene Zäune und Fangnetze werden abgebaut. Bei der WM war es genau andersherum. Die Fifa vertritt eine andere Philosophie. Sie wollte hinter jedem Tor ein Fangnetz haben.

RUND: Werden Sie bei der EM dabei sein?
Andreas Klee: So wie es aussieht, werde ich bei keinem Spiel dabei sein. Das hat zeitliche Gründe, das Hauptgeschäft beginnt dann, wenn unser neuer Katalog erscheint. Außerdem sieht man unsere Produkte im Fernsehen besser als im Stadion.

RUND: Wie sind Sie mit dem Schiedsrichterwesen vernetzt?
Andreas Klee: Wir kommen daher. Unser Firmeninhaber und Gründer Winfried Baaser hat selbst in der Zweiten Liga gepfiffen und war in der 1. Bundesliga an der Linie. Er hat viele Ausrüstungsgegenstände für Schiedsrichter erfunden.

RUND: Welches sind die besten Pfeifen?
Andreas Klee: Die kommen von der Firma Fox. Die Spitzenschiedsrichter pfeifen in der Regel mit einer Kunststoffpfeife. Da hat sich die Fox 40 etabliert, die wurde von einem ehemaligen Profischiedsrichter aus dem Basketball entwickelt: Herrn Foxcroft. In einem Olympia-Finale in den 70-er Jahren fiel ihm die Trillerpfeife aus. Trillerpfeifen haben den Nachteil, dass sich Flüssigkeit sammelt und die Kugel hängen bleibt. Dann kommt nur noch ein müdes Tröten raus. Man braucht etwas, was den Geräuschpegel in den Stadien übertönt. Vor diesem Hintergrund hat Foxcroft die Fox 40 entwickelt, die nur mit Luftkanälen arbeitet und einen dermaßen lauten Ton erzeugt, der alles in den Schatten stellt, was man sonst an Pfeifen kennt. Das geht bis zu 120 Dezibel Lautstärke. Die Fox Classic, die von den meisten Bundesliga- und internationalen Schiedsrichtern gepfiffen wird, hat eine Lautstärke von 115 Dezibel. So eine Lautstärke hat schon Flugzeug-Charakter.

RUND: Kriegen die Spitzenschiedsrichter ihre Pfeifen von Ihnen?
Andreas Klee: Im Rahmen eines Turniers bekommen sie ein Ausrüstungspaket. Aber die haben auch ihre eigenen Pfeifen mit. Meistens haben die beim Spiel noch eine Ersatzpfeife dabei, und zusätzlich noch zwei, drei weitere im Gepäck.

RUND: Was kostet so eine Pfeife?
Andreas Klee: Eine Fox 40 kostet um die sieben Euro, mit einem Mundschutz obendrauf acht Euro. Eine normale Kunststoffpfeife mit Kugel kostet zwischen zwei und drei Euro. Diese Sportpfeifen – wie wir sie nennen – haben ihren Preis. Aber es ist auch ein Hochleistungssportgerät. Die sind auch im Bootsport als offizielles Signalgerät zugelassen.



Ersatzbank
Zwölf Meter lang: Während der WM waren die Ersatzbänke deutlich größer als im Ligabetrieb, während der Euro werden sie es wieder sein. In Stuttgart, wo dieses Foto entstand, ließ man die WM-Bank stehen, im Sommer wird dort allerdings das Dach abmontiert. Foto Sebastian Vollmert

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